Wenn ich mich frage, was für ein Leben ich in der Zukunft erleben möchte, so wird meine Antwort ganz natürlich sein: Ein gutes Leben. Und nicht nur ich werde so antworten, sondern sondern sicherlich werden alle oder zumindest die meisten so antworten: Ich will ein gutes Leben leben.
Das gute Leben
Was nun dieses Gute, das wir alle haben wollen, im Konkreten ist; darüber werden die Meinungen freilich auseinandergehen. Gemeinsam bleibt allen Wünschen, dass wir sie als gut bezeichnen; auch wenn wir bei diesem Guten vorerst vielleicht auch nur das eigene vorgestellte Gute, den privaten Nutzen, im Sinn haben.
Gut soll sie schon sein, die Zukunft, die wir uns wünschen. Und auch all die Werte, die die Zukunft gut sein lassen, sollen gut sein: Wir wünschen uns eine gute Gerechtigkeit, eine gute Gesundheit, eine gute Bildung für uns und eine gute Bildung für die kommenden Generationen, die unser Leben ja bestimmen werden. Und bei allem anderen, was wir sonst noch als zugehörig zum guten Leben anführen könnten, werden wir immer das Attribut gut dazusagen oder dazudenken, denn nichts anderes als das Gute wünschen wir uns. Oder möchten Sie etwa unter einer nur so genannten Gerechtigkeit leben, die nicht wirklich gut ist, Gutes schützt und Gutes bewirkt?
Was ist das Gute?
Da wir als Menschen fragen, fragen wir natürlich mit der Frage: „Was ist das Gute?“ nach dem Guten für uns Menschen. Also: Was ist das Gute für uns Menschen. Und da wir ja nicht nur eine lächerliche Antwort finden wollen, die sich auf den unmittelbar erlebten Moment bezieht, nehmen wir auch noch die Zeit, soweit sie uns bekannt ist, in unsere Frage mit auf und fragen: Was war früher, was ist heute und was wird wohl auch in Zukunft das Gute für unser Leben sein. Was war, ist und wird gut für uns sein?
Wenn wir dann nachdenken und fleißig alle Werte, das Gute menschlicher Kultur und menschlicher Tugenden, zusammengetragen haben, können wir auch leicht fragen: Was bewirkt all dieses Gute, was bewirken all diese Werte und all diese Tugenden? Und dann kommen wir zu der peinlich einfachen Antwort: Sie fördern das menschliche Leben. Ja, das Gute ist das, was das menschliche Leben erhält und fördert. Ja! Das Gute ist gut für das menschliche Leben!
Das gute Leben
Da wir nun glücklich das Gute in einer ersten Näherung gefunden haben, können wir ja auch gleich weiter fragen, wie so ein gutes Leben wohl aussieht, was so ein gutes Leben wohl ist.
Und wir werden feststellen, dass fast alle unsere Güter von Menschen gemacht oder von Menschen gewahrt sind. Ja, es gibt fast nichts Gutes, außer man tut es! Unser gutes Leben wird also ein sehr aktives gutes Leben sein; ein aktives Leben, in dem wir das Gute nicht nur genießen werden, sondern in dem wir vielmehr das Gute vor allem tun werden.
Wir werden also all das tun und verwirklichen, was dem menschlichen Leben gut und förderlich ist. Und das, was dem Leben nicht gut und förderlich ist, was dem menschlichen Leben schadet, werden wir versuchen zu unterbinden. „Was nutzt und wem nutzt das eine oder das andere Handeln, die eine oder die andere Gesetzgebung?“ wird die Frage sein, an der wir uns hierbei orientieren werden. Und die positive Antwort wird sein müssen: Es dient und es nutzt dem menschlichen Leben.
Umkehr zum Sinn
Wir merken, dass, ausgehend von der Frage nach dem guten Leben und der anfänglichen Suche, was wir denn Gutes erhalten wollen, sich unser Blick nun zur Frage gewendet hat, was wir denn Gutes tun müssen, bevor wir das Gute erhalten können. Unser Leben hat, ausgehend von unseren Wünschen, eine Aufgabe bekommen. Wir können auch sagen: Unser Leben hat in der Aufgabe der Verwirklichung des Guten einen Sinn bekommen!
Umkehr zur Vernunft
Da mag dem Einem oder der Anderen auffallen, dass all diese Gedanken gar nicht so sonderlich neu oder originell seien und dass das Ganze doch irgendwie schon bekannt sei und etwas mit dem Projekt der Aufklärung und der Vernunft zu tun habe und da hat die Eine oder der Andere auch ganz recht.
Und wenn nun jemand gegen das Gute der begonnenen Aufklärung einwendet, dass Europa und die Welt doch schließlich gerade seit ihrem Beginn die schlimmsten menschlichen Katastrophen erlebt habe, dann hat er oder sie damit auch ganz recht. Diese traurige zeitliche Abfolge steht aber nicht in einem Ursache-Wirkung-Verhältnis. Die Ursachen der menschlichen Katastrophen waren nicht die Aufklärung und die Vernunft; die Ursache war vielmehr, ganz im Gegenteil, dass die Aufklärung und Vernunft eben nicht verwirklicht wurde, sondern im Geist sehr weniger Menschen nur ein einsames Schattendasein führte.
Im Schatten, vereinsamt und vergessen, kann die Vernunft dem Menschen freilich keine große Hilfe sein; dem oder der Einzelnen vielleicht schon, aber nicht der Menschheit als Gemeinwesen.
Unsere Demokratie ist, wollen wir eine gute Zukunft haben, darauf angewiesen, dass die Vernunft von sehr, sehr vielen Menschen, alten wie jungen, gemeinsam getragen wird. Ansonsten wird die Vernunft in keiner demokratischen Wahl einen Sieg erringen können. Ansonsten wird die Vernunft sich in keinem Gemeinwesen zum Nutzen aller verwirklichen lassen.
Gute Zukunft?
Das Konzept der Demokratie baut darauf auf, dass kluge und weise Menschen eine Mehrheit stellen können. Dass kluge und weise Menschen in Zukunft eine Mehrheit stellen können, dass sie die Anliegen des guten Lebens in Wort und Tat vertreten können, ist die vorrangige Aufgabe unserer Gegenwart. Wir müssen jetzt Vernunft anbieten und jungen Menschen den Zugang zur Vernunft eröffnen, wenn wir auch in Zukunft ein gutes Leben führen wollen. Wenn wir Bildung anbieten und verwirklichen können, werden wir alle die Chance auf eine gute Zukunft haben. Und wenn nicht – dann eben nicht. Doch diese einmalige Chance auf ein gutes Leben und eine gute Zukunft wollen wir uns doch nicht entgehen lassen, oder?
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