Philosophie: Denken und Nachdenken
Die Überschrift hätte auch lauten können: „Philosophie: Verstand und Vernunft“. Denn das käme auf dasselbe heraus. Nun heißt sie aber: „Philosophie: Denken und Nachdenken“ und vielleicht ist das, gerade in unserer wortreichen und gedankenreichen deutschen Sprache, auch gar kein Fehler.
Philosophisch Denken und Nachdenken
Ich unterscheide in Gesprächen, in der Beratung, im Coaching oder der Therapie immerzu ganz deutlich und sehr bewusst zwischen Denken und Nachdenken. Und wenn ich von Denken und Nachdenken spreche, dann meine ich natürlich immer: Wirkliches Denken und wirkliches Nachdenken! In anderen Worten: Philosophisch Denken und Philosophisch Nachdenken!
Alle anderen, vielleicht ähnlichen geistigen Prozesse wie Denken oder Nachdenken nenne ich das Meinen, das Ahnen oder das Glauben. Oder das Phantasieren oder Träumen. Das sind auch äußerst wertvolle geistige Fähigkeiten, die ich bewundernd liebe. Hier soll es nun aber gerade nur um das Denken und das Nachdenken gehen.
Denken und Nachdenken – Verstand und Vernunft
Die Unterscheidung zwischen Denken und Nachdenken ist nicht nur eine Spielerei! Sie ist der Weg der Philosophie durch Verstand und Vernunft zu weitaus kreativeren und auch weitaus besseren, nämlich richtigen Denkergebnisse zu gelangen. Verglichen mit dem normalen herumgrübeln, dem Meinen oder Ahnen.
Nun stehen schon die Worte Verstand, Vernunft, Denken und Nachdenken im Raum. Höchste Zeit also, dass wir uns um eine Begriffsklärung kümmern. Was also ist im Einzelnen damit gemeint? Beginnen wir mit dem Denken und Nachdenken; Verstand und Vernunft können sich dann leicht anschließen.
Das Denken und das Nachdenken
Was tun wir eigentlich, wenn wir denken und was tun wir, wenn wir nachdenken? Was tun wir ganz genau! Ich will es wirklich wissen! Sag es mir!
Und wie tun wir das, was wir tun, wenn wir denken? Und wie tun wir das, was wir tun, wenn wir nach dem Denken nachdenken?
Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung berichten. Denn empirische Studien zu diesen Fragen sind mir nicht bekannt. Zudem würde es mich auch gar nicht wundern, wenn es zu diesen Fragen gar keine empirischen Studien gibt! Denn empirische Studien sind teuer. Und in der Folge einer Studie mit meinen Fragen ließe sich wohl kaum ein Massenprodukt verkaufen, um all das investierte Geld wieder herauszuholen.
Also: Machen wir uns selbst auf die Suche nach Erkenntnissen!
Schritt für Schritt
Wenn Sie nun überprüfen wollen, ob das mit dem Denken und dem Nachdenken wirklich funktioniert, dann spendieren Sie sich doch einfach ein paar Blatt Papier und machen Sie gleich schriftlich mit! Und Sie werden sehen, wie sich Ihre Gedanken klären und Raum für Erkenntnisse freigeben.
Das Denken
Wenn wir nicht nur tumb vor uns dahindümpeln wollen, brauchen wir als erstes eine Frage. Und zwar nicht nur irgendeine Frage! Sondern eine möglichst klare und präzise Frage.
Die Frage
Ein Wert sollte, mindestens implizit, auch in dieser Frage vorhanden sein. Sonst ist ja alles Denken und Nachdenken lächerlich, wenn es nicht zu einer wertvollen Erkenntnis, also etwas Gutem oder Wertvollem führen soll.
Wir stellen uns also unsere Frage. Und sofort, ohne uns weiter bemühen zu müssen, passiert in einem frischen und gesunden Bewusstsein etwas ganz Wunderbares: Unser Bewusstsein sucht ganz von alleine nach möglichen Antworten auf unsere Frage. Zumindest dann, wenn es nicht krank, zu erschöpft oder zu müde ist.
Und weil unsere aktuelle Frage nicht die allererste Frage unseres Lebens sein wird, ist unser Bewusstsein im Suchen nach möglichen Antworten, nach Lösungen, wahrscheinlich schon gut geübt. Also sucht es nach bekannten Ähnlichkeiten, nach Analogien. Und ganze Assoziationsketten, die unserer Suche hilfreich sein können, werden angeschubst und in Gang gebracht.
Kreativität macht froh
Manche Antworten werden uns sehr schnell, blitzschnell, in den Sinn kommen. Andere Ideen werden etwas länger brauchen.
Aber ganz egal, ob schnell oder langsam, werden wir merken: Kreativität, das Finden von Antworten auf unsere Frage macht uns seltsam und eigenartig froh. Und weil wir so gerne froh sind, wird unser Bewusstsein, wenn unsere Frage nicht allzu einschränkend ist, nicht nur eine (1) Antwort finden. Nein, wir finden gleich ein ganzes Bündel von Antworten!
Kreativität braucht geistige Freiheit
Ein ganzes Bündel von Antworten werden wir aber nur finden können, wenn wir uns nicht durch vorgefertigte Meinungen, manche sprechen von einschränkenden Glaubenssätzen, das Denken, das Suchen und Finden vermiesen lassen.
Wir müssen uns die Freiheit geben, alle Einfälle gelten zu lassen. Auch die, die uns wirklich verrückt vorkommen. Vielleicht kommen sie uns ja nur auf den ersten Blick so verrückt vor. Vielleicht bergen sie ja eine Spur von Gold. Einen Hinweis auf eine weitere großartige Idee.
Ob unsere Ideen und Einfälle realistisch sind, werden wir ohnehin in einem späteren Schritt prüfen. Vorerst sollen uns alle Einfälle willkommen sein. Und wir wollen sie sorgsam sammeln. Eine Liste ist ein einfaches, probates Mittel. Aber ebenso einfach und weitaus inspirierender ist es, wenn wir uns ein Mindmap erstellen.
Das Mindmap
Auf Wikipedia können Sie sich ansehen, wie so ein Mindmap (Klick!)ausschaut. Dafür gönnen wir uns einfach ein großes Blatt Papier. Zum Beispiel auch die Rückseite des großen Kalenders aus dem vergangenen Jahr. Oder den Rest einer Tapete. Oder billiges Packpapier. Oder … oder … oder …
Es muss wirklich kein wertvoller Zeichenkarton sein. Viele von uns haben Angst, ein schönes, großes, teures Blatt Papier zu „zerstören“. Von Altpapier oder einer alten Tapete brauchen Sie wirklich nichts zu befürchten.
In die Mitte unseres Blattes schreiben wir dann groß und deutlich unsere Frage. Und darum herum sammeln wir dann, am besten in Farbe, unsere Antworten. Und wir sammeln und sammeln und sammeln. Ohne wenn und aber. Bitte sammeln Sie nur. Bewerten Sie bitte noch nicht. Das kommt später, beim Nachdenken.
Das Ergebnis unseres Denkens
Was wir nun als Ergebnis unseres Denkens vor uns haben, ist eine wertvolle Sammlung möglicher Antworten und Lösungen auf die Frage, die wir uns gestellt hatten, die wir uns beantworten wollten.
Nun schauen wir mal, welche unserer gesammelten Antworten die wahrscheinlichste, die „wahrscheinlich richtigste“ ist. Diese Antwort greifen wir uns. Und wir schreiben sie uns nochmals auf ein separates Blatt Papier. Und dann treten wir einen Schritt zurück. (Imaginär reicht!) So, als hätten wir unsere Antwort an eine große Schultafel geschrieben. Und wir machen uns inhaltlich und innerlich frei.
Was wir nun vor uns haben, ist nicht mehr unsere Frage und sind nicht mehr unsere Bilder und Anliegen, die wir mit unserer Frage verbunden hatten. All dies ist ja in der möglichen Antwort enthalten, die wir uns gegeben hatten.
Was wir nun für die weitere Suche und Prüfung vor uns haben, ist nur noch ein Satz. Ein Satz, der den Anspruch erhebt, wahr, richtig und wertvoll zu sein.
Das Nachdenken
Diesen einen (bzw. ersten) Satz, den wir als das Ergebnis unseres Denkens gefunden haben, betrachten und lesen wir nun in aller Muße ganz genau. Ganz genau! Wir inhalieren diesen Satz!
Die Prüfung unseres Satzes (unserer Hypothese)
Erstens:
Wir fragen uns: Kann ich diesen Satz spontan verstehen? – Wenn ja: Alles prima und wir können weitergehen. Falls nein: Zurück zum Start und den Satz so formulieren, dass wir ihn verstehen können.
Zweitens:
In aller Muße – hierfür brauchen wir wirklich Zeit – fragen wir uns bei jedem einzelnen Wort dieses Satzes: Kann ich dieses Wort verstehen? Weiß ich wirklich, was dieses Wort bedeutet? Im Zweifelsfall überrede ich mich dazu, schriftlich zu jedem relevanten Wort eine schriftliche Erklärung, am besten eine klassische Definition, aufzuschreiben.
Das tue ich zu zu meiner eigenen Überprüfung: Weiß ich wirklich, habe ich selbst wirklich verstanden, wovon ich hier spreche?
Drittens
In unserer Frage ist ja ein Wert enthalten. Ein Wert ist etwas für uns und für unsere Erkenntnis Wertvolles. Wegen dieses Wertes haben wir uns unsere Frage überhaupt gestellt. Also zollen wir diesem Wert die angemessene Beachtung und befragen diesen Wert ganz genau: Wir fragen uns: „Was ist das, von dem ich hier spreche?“
Beispiele für solche befragenswerte Werte könnten sein. Gerechtigkeit, Besonnenheit, Tapferkeit, Leistung, Anerkennung, Treue, Liebe, Freiheit, Pflicht, …
Viertens
Wenn wir diese „was ist das?“ – Frage beantworten konnten – das ist der schwierigste Teil der Aufgabe – kehren wir mit unserer Erklärung und den Erklärungen aller anderen Wörter zurück zu unserem Ausgangssatz und fragen uns: Ist der Satz schlüssig? Ergibt dieser Satz nach aller bisherigen Prüfung immer noch einen Sinn für uns?
Falls nein: Dann Korrektur und Satz ändern. Was wir jedoch dabei festgestellt und gelernt haben ist, dass wir zuvor einer irrigen Vermutung aufgesessen sind. Das ist ein großer Gewinn für uns.
Falls ja: Herzlichen Glückwunsch! Wir sind möglicherweise um eine wertvolle Erkenntnis reicher geworden! Wir haben eine Erkenntnis gewonnen, die möglicherweise wahr sein kann.
Dass hier nun bei dem Ergebnis unseres Denkens immer noch das Wort „möglicherweise“ auftaucht, darf Sie bitte nicht verunsichern. Das hat mit grundsätzlichen Problemen des Denkens, der Falsifizierung und der unmöglichen Verifizierung unserer Gedanken zu tun. Doch das ist schon wieder ein anderes und gleichfalls spannendes Thema, das ich vielleicht ein andermal erörtern sollte. Für hier und jetzt und unsere Untersuchung jedenfalls gilt:
Das Ergebnis unseres Nachdenkens
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Wir haben unsere Eingangsfrage hervorragend geklärt
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Wir haben mögliche Antworten gefunden
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Die wahrscheinlichste Antwort haben wir aufmerksam geprüft
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Wir konnten erkennen, ob unsere durch unser Denken gefundene Antwort nur eine Luftblase ist, oder die Chance besitzt, wahr und richtig, wertvoll zu sein
In jedem Fall sind wir nun, durch diese Prüfung des Nachdenkens, nach dem Denken des zuvor schon angedachten, wesentlich kenntnisreicher und schlauer als zuvor. Und wenn es in unserer Frage um eine für unser Leben wesentliche Frage ging, haben wir einen riesigen Sieg errungen!
Offene Fragen
Sicherlich bleiben bei diesem zwar sehr wertvollen aber gleichermaßen komplexen Verfahren noch manche Fragen offen. Aber für diese Fragen gibt es ja mich; dafür bin ich ja da! Und jederzeit können wir uns gerne gemeinsam an die Prüfung ihrer lebensbestimmenden Gedanken machen. Erst recht, wenn ihre Gedanken Entscheidungen von Ihnen abverlangen!
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Dr.phil. Michael Gutmann
030 / 42 80 77 76
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