Thales und die Nützlichkeit der Philosophie

Der Thales, dessen Namen wir vielleicht noch aus dem Mathe-Unterricht kennen und der als der erste oder einer der ersten Philosophen gehandelt wird, muss manchmal durch eine Anekdote seines Lebens für den „Beweis“ der Nützlichkeit der Philosophie herhalten:

„Als man ihm wegen seiner Armut einen Vorwurf machte, als ob die Philosophie zu nichts tauge, habe er, …, da er aufgrund seiner astronomischen Kenntnisse vorausgesehen hatte, dass die Olivenernte reichlich sein würde, noch im Winter mit dem wenigen Geld, das ihm zur Verfügung stand, …, sämtliche Ölpressen in Milet und Chios für einen niedrigen Preis gemietet, …. Als aber die Zeit [der Ernte] gekommen war und auf einmal und gleichzeitig viele Pressen verlangt wurden, da habe er seine Pressen so teuer verpachtet, wie er nur wollte, und auf diese Weise sehr viel Geld verdient.“  Aristoteles: Politik 1259a

Hm, ist das nun ein gutes oder schönes Beispiel für die Nützlichkeit der Philosophie oder irgend einer anderen Wissenschaft? War Thales in dieser Anekdote in irgend einer Weise produktiv? Hat er irgend einen Wert erschaffen? – Nein, hat er nicht!

Durch einen Wissensvorsprung konnte er die Preise hochtreiben und andere Menschen um ihren Verdienst bringen. Er konnte also Besitz zu seinen Gunsten umverteilen. Aber selbst einen Wert erschaffen konnte er durch diese Aktion nicht.

Um so schöner ist es, dass Thales durch viele andere Gedanken und Untersuchungen der Menschheit sicherlich einen großen Nutzen bescheren konnte, denn es geht ja nicht darum, den Thales in irgendeiner Weise anzuklagen oder zu verunglimpfen.

Interessant am Umgang mit dieser Anekdote ist ja vor allem der Umstand, was als nützlich, als wertvoll, als brauchbar angesehen werden kann – durch diejenigen, die diese Geschichte als „Beweis der Nützlichkeit“ verwenden.

Und dem möchte ich entgegenhalten, dass es keineswegs nützlich, wertvoll, lobenswert ist, wenn jemand in seinem Beruf selbst keine Werte erschafft, sondern darum bemüht ist, an die Einnahmen oder Finanzen anderer heranzukommen, um davon etwas oder alles für den eigenen Beutel abzuzweigen. Solches Gewerk bringt uns keinerlei Nutzen oder Wohlstand und ihre Protagonisten sollten sich für ihr nutzloses, destruktives Tun eher schämen als sich noch offen dafür feiern zu lassen.

 

Michael Gutmann
Berlin