Zuerst eine Bitte um Nachsicht: Ja, ich habe den Blog dieser Seite vernachlässigt. Weil Themen anstanden, die nicht unbedingt zu SokratesBerlin gepasst hätten.
Ein gemeinsamer Blog
Daher habe ich nun für meine unterschiedlichen Websites, in denen es vorrangig um den Sinn in unserem Leben oder um das Schreiben geht, einen gemeinsamen Blog eingerichtet, der alle älteren Artikel vereint.
Mal ehrlich! Wer sich selbst als erwachsen bezeichnet, aber noch nie in seinem Leben über sich selbst, das eigene Fühlen, Meinen und Denken, geschrieben hat, ist doch wirklich nur ’ne Wurst.
Um erwachsen zu werden, muss man (frau auch) sich mit sich selbst konfrontieren. Man muss sich sich selbst stellen! (Das zweimalige „sich“ in diesem Satz ist kein Versehen sondern beabsichtigt.)
Wir müssen uns uns stellen, um halbwegs Mensch werden zu können. Wer sollten wir denn ansonsten sein, wenn wir uns dieses nicht trauten, wenn wir Angst hätten, uns selbst zu begegnen, wenn wir vor jeder ernsthaften Begegnung mit uns selbst fliehen würden?
Sich selbst angstfrei begegnen!
Sich selbst angstfrei im Schreiben zu begegnen! Das zeichnet einen mündigen, erwachsenen Menschen aus! Dabei kommt es überhaupt nicht darauf an, wie die Begegnung ausgeht. Den Mut aufzubringen, sich sich selbst zu stellen, sich sich im Schreiben zu stellen, das ist das Entscheidende für einen mündigen, erwachsenen Menschen. Für einen Menschen, der nicht mehr nur eine Wurst ist! Für einen Menschen, der dem Wurst-Status enkommen, entflohen ist. Weil er sich selbst serlebt, erfahren und erkannt hat.
Mal ehrlich!
Mal ehrlich! Ein Mensch, der sich noch nie schriftlich sich sich selbst zu stellen wagte, der sich noch nie sich selbst im geschriebenen Wort zu begegnen wagte, ist doch wirklich nur eine Wurst!
So eine Wurst, um nur das Einfachste zu nennen, weiß doch nicht einmal, was sie sagt, wenn sie „Ich“ sagt!
Ein Text, der klar und wahr und leicht verständlich ist, ist schon ganz gut und schön, insofern er eben klar und wahr ist. Aber was ist mit der leichten Verständlichkeit? Ist sie wirklich eine Hilfe zu einem wirklichen Verständnis oder eröffnet sie vielmehr die Tore zu nur vermeintlichem Verständis, das mehr Missverständnis als wirkliches Verstehen ist. Wissensdünkel also.
Wie dagegen steht es mit einem Text, der ebenso klar und ebenso wahr aber nur schwer verständlich ist? – Sofern sich ein Leser oder eine Leserin auf diesen Text einlässt, werden er oder sie sich selbst bemühen, zu einem Verständnis zu gelangen. Dieses Verständnis wird dann ein selbst gewonnenes Verständnis sein, ein wirkliches Verständniss, ein selbst begründetes Verstehen. Jederzeit aus sich selbst heraus ohne Zitiererei wiederholbar, jederzeit zu besprechen, zu diskutieren und zu verteidigen. Ein wirkliches Verstehen eben.
Nun könnte man einwenden, dass sich sicherlich nur wenige auf einen schwer verständlichen Text einlassen werden. – Nun gut; so stehen wenige mit wirklichem Verstehen vielen mit Wissensdünkel gegenüber. Da sind mir die wenigen Verstehenden dann doch lieber!
Wer einmal, auch nur ein einziges Mal, dem Zauber des Schreibens unterlag oder besser: dem Zauber des Schreibens unterliegen durfte, der wird wohl Zeit seines Lebens ein Liebhaber, ein gefangener Liebhaber, dieses Zaubers sein.
Jemandem, der bislang diesen Zauber nicht kennenlernen durfte, diesen Zauber zu erklären, fällt nicht leicht. Denn dieser arme Mensch wird, sobald wir einen mühsamen und von vornherein aussichtslosen Versuch der Erklärung unternehmen, bestenfalls an das Ergebnis des Schreibens, das Geschriebene denken und vermuten, wir hätten daran unsere Freude, seien darüber glücklich, seien darauf stolz. Besonders den Stolz wird er vermuten: Den Stolz auf ein paar gelungene Wendungen, den Stolz auf ein paar mehr oder minder missglückte Reime: „Haus – Maus“; taaräääh; wie lächerlich!
Das Ergebnis des Schreibens, das Geschriebene, ist doch nur das kümmerliche Abfallprodukt des Schreibens, des heiligen und heilenden Schreibens selbst. Ein Abfallprodukt, an dem andere Erfahrene ehrfurchtsvoll erahnen können, was im Schreiben geschah, was der Schreibende durchlebte. Ein Abfallprodukt andererseits, an dem sich auch Narren und kleine bissige Hündchen laben können. Und wenn ihnen ihr größtes Glück beschert wird, dann finden sie vielleicht einen Komma- oder einen Rechtschreibfehler, durch den sie sich dann selbst als groß, weise und erfahren aufblähen können. Wie wenig haben sie verstanden vom Zauber des Schreibens, vom Zauber des Lebens in all seinen facettenreichen Möglichkeiten!
Schreiben gestaltet das Leben. Schreiben gestaltet und schenkt das, was es im Leben gibt – oder auch nicht gibt. Schreiben kann uns trösten oder zutiefst bedrücken. Schreiben kann uns Wahrheit schenken. Schreiben kann unsere ganze Welt verändern. Und uns selbst auch.
Es gibt für uns nichts auf dieser Welt, das nicht geschrieben wurde. Und es gibt nichts auf dieser Welt, solange es nicht geschrieben wurde. Das gesprochene Wort alleine reicht nicht aus. Es muss der Prüfung des Schreibens unterzogen worden sein, um wahr sein zu können.
Kreativität (Kunst) besteht in einem Überschreiten des Rationalen und des Vernünftigen.
„Überschreiten“ des Vernünftigen und Rationalen heißt nicht: Missachtung der Ratio und der Vernunft, sondern eben: Zur Kenntnis nehmen, durchdringen und dann überschreiten!
Deshalb haben auch alle wirklichen Kreativen, wir nennen sie meistens „Künstler“, etwas Interessantes zu ihrer Arbeit zu sagen. Zu sagen! In Worten und Sätzen mit Gehalt! Das bloße Blubbern „überschreitend“!
… bewegen sich die Bilder unserer Phantasien durch unsere Vorstellungen. Bis Sie zu Gedanken werden, dh. in logische Strukturen geordnet werden. Aber noch sind sie immer noch wirr. Bis wir sie ordnen, bis wir sie aussprechen oder aufschreiben und die erschaffene Ordnung prüfen. (Das geschieht auch im ersten Teil eines sokratischen Dialogs).
Vielleicht, so vermute ich jedenfalls, liegt der Sinn des menschlichen Lebens darin, „Sprache“ zu verwirklichen, wobei ich die Musik und manche anderen schönen Künste in diesem Fall auch mit zur „Sprache“ zähle.
Ich will sogar noch einen Schritt weiter gehen und vertreten, dass der Sinn jeglichen Lebens in gewisser Weise darin liegt, „Sprache“ zu verwirklichen. Denn alles Leben strebt volens nolens schließlich danach, auf seine ihm mögliche Weise den Logos, die „Sprache des Kosmos“, zu verwirklichen.
Wir Menschen haben zu diesem Zweck, der uns höchstmöglichen Verwirklichung des kosmischen Logos, unsere Menschliche Sprache und manche schönen Künste entwickelt. Manche Tiere haben offenbar andere Formen entwickelt, von denen wir teils mehr, teils weniger wissen. (Wale, Ameisen, Termiten, Bienen, Vogel- und Fisch-Schwärme, alle Herden, Gruppen, Familien, Rudel)
Die Verwirklichung einer Sprache ist die höchste mögliche Verwirklichung des Lebens. Entsprechend respektvoll und würdig sollten wir daher mit Sprache umgehen, wenn wir zu uns selbst und miteinander reden!
Dass ich den klassischen Sokratischen Dialog für die uns mögliche höchste Form der Verwirklichung von Sprache halte, muss ich an dieser Stelle wohl nicht betonen. (Das haben Sie sich ja sicherlich schon gedacht!)
Es gibt keine Ordnung und keine Klarheit, es gibt nichts Gutes – es sei denn, wir retten uns in die klärende Sprache!
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