Die Persönlichkeit hinter dem Geschriebenen

Die Persönlichkeit hinter dem Geschriebenen

Wenn wir einen Satz, mehrere Sätze, einen Bericht, einen Brief, eine Erzählung etc. schreiben und „zu Papier bringen“, so ist das oft weitaus mehr, als die Umsetzung unserer Gedanken in eine andere, wieder nachvollziehbare Form. Allein dies hätte auch selten die emotionale Intensität, die das Schreiben für manche von uns beinhaltet, hervorrufen können.

Kennen Sie auch Schreib-Blockaden?

Im Schreiben bekennen wir uns zu etwas. Wir bekennen: „So ist es“ oder „So ist es gewesen“. Vielleicht ist es auch nur ein „So könnte es sein“ oder ein „So könnte es gewesen sein“ – und dennoch ist es ein Bekenntnis. Selbst wenn wir alle individuellen Erfahrungsvermögen und eine Freiheit der individuellen Weltsichtweise mit einbeziehen ist es ein Bekenntnis. Oder sogar: Dann ganz besonders und dann erst recht. Wir stehen mit unserer Persönlichkeit hinter dem Niedergeschriebenen.

Wenn wir einen Gedanken zu Papier bringen, bringen wir ihn damit zur Welt. Das ist eine Geburt! Wir gebären einen Gedanken aus den Tiefen unseres Hauptes und konfrontieren ihn mit dem Licht der Welt. Und wir konfrontieren unseren Gedanken, unsere Gedanken, unsere Persönlichkeit mit den bewertenden Blicken der Anderen; es sei denn, wir schreiben in unser abschließbares, stets verschlossenes Tagebuch.

Und selbst dann, wenn wir nur für uns und nur für unser Tagebuch schreiben, fällt das Schreiben bisweilen schwer, bereitet Mühe, beschert Angst. Denn indem wir ein Gedankengebilde, ein Gedankenbild, in einen Satz oder zu Sätzen formen, gießen wir unsere allen – und auch uns selbst – verborgenen Gedanken in die Formen der Logik und des Logos (gr. λογος,  logos) und verleihen ihnen dadurch ein Sein, das die Seinsstufe unserer geheimen krausen Gedanken und Phantasien bei weitem überragt.

Indem wir schreiben, etwas zu Papier bringen, nach außen bringen, zur Welt bringen, gebären wir. Wir sind kreativ. Wir sind Schöpfer, Kreatoren, wir erschaffen Welt. Zumindest erschaffen wir eine in unseren Augen mögliche Welt. Eine Welt zu der wir uns bekennen; unser Gewissen, unsere Ehre ermahnt uns, uns zu dieser Welt wie zum eigenen Kind zu bekennen. Wir stehen für unser Geschriebenes und zur Welt Gebrachtes ein, müssen dafür einstehen. Wenn auch nicht vor Gericht oder vor anderen Menschen, so doch vor der weitaus höheren Warte der eigenen Persönlichkeit.


 

„Wage niemals zu denken, …

… das Nicht-Seiende sei“, ermahnte uns schon ein sehr früher Denker, der Parmenides nämlich.

  • „Nötig ist dies zu sagen und zu denken, daß nur das Seiende existiert. Denn seine Existenz ist möglich, die des Nichtseienden dagegen nicht.“ – Fragmente, B 6

Betrachten wir mit diesem Gedanken im Hintergrund das Ende unseres Lebens, so werden wir feststellen, dass im Bezug auf ein Hoffnung-stiftendes Element in unserem Leben die Religionen, die ein Paradies – wie auch immer gestaltet – versprechen, den Lebenshaltungen, die nicht ein solches Paradies nach dem Tod verheißen, deutlich überlegen scheinen.

– Nicht jedoch, wenn man das Leben – ganz unpopulär – als fortwährende Verzichtsübung betrachtet. Dann erscheint das „Nichts“ als großes Geschenk: Als Ende allen Verzichts, als Ende allen Begehrens, als Ende alles Erleidens und Ertragens, als endgültige Befreiung von den Schrecken des Daseins, im Wachen wie im Schlaf.

Welche Sichtweise ist – für’s Leben – die bessere?

Mensch – wofür lebst Du?

Ich freue mich immer, wenn ich Idealisten begegne. Und Idealistinnen natürlich auch, denn auf den Piephahn kommt’s dabei nicht an.

Worauf es aber ankommt, ist die Frage, ob ein Mensch seinem Leben einen Sinn und Zweck außerhalb seiner selbst verliehen hat, Welt und Werte erschafft, oder nur darin einen Sinn seines Daseins erkennen kann, dem eigenen biologischen Wohlergehen und der Pflege des Leibes zu dienen.

 

Michael Gutmann
Berlin